Dieser Artikel beschreibt ein Phänomen, das viele kennen aber möglicherweise nicht unter diesem Begriff, den ich aus meinen Erfahrungen selbst entwickelt habe.
Wie jede Wissenschaft ist auch die Psychologie dazu bestimmt, mittels empirischer Beobachtungen mentale Modelle bewusst zu machen, die dem Menschen in seiner Entwicklung und Heilung zur Verfügung stehen.
Mentale Modelle erzeugen wir uns selbst in unserer Lebenszeit, indem wir uns ein Bild von uns selbst, der Umwelt und den Beziehungen dieser beiden Faktoren untereinander machen. Diese Variablen sind die essenziellen Bestandteile, die wir nutzen können, um Veränderung und Wandel einzuleiten. Mentale Modelle beinhalten alle Filter, durch die wir unser Leben individuell wahrnehmen.
Es handelt sich um kognitive Strukturen, Skripte unseres eigenen Lebens, also unser Mindset, welches unsere Wahrnehmung von der Welt ausmacht. Diese Wahrnehmung ist unsere höchst individuell gefärbte Perzeption von dem, was uns wahr und gültig erscheint. Unser Weltbild wird geprägt von Erziehung, Kultur und dem sozialen Umfeld, in dem wir groß werden.
Durch Coaching-Techniken und psychotherapeutische Modalitäten verändern wir diese Modelle und Bilder, somit unsere Denkmuster, in der Folge unsere Emotionen, damit unsere Hormonausschüttungen, die uns in Stress oder Entspannung, Krankheit oder Gesundheit befördern. Und letztlich ändert sich mit einem veränderten mentalen Modell das Verhalten und somit das gesamte Skript des Lebens.
Der Schlüssel, dieses Skript zu verändern liegt oft in den unbewusst oder bewusst wahrgenommenen emotionalen Mustern, die wir ein Leben lang verinnerlicht und ausgelebt haben. Die Kraft, die das mentale Modell am Leben erhält, ist meist so groß wie die Summe der emotionalen Lasten, die sich in uns verfestigt haben. Lösen wir diese emotionalen Knoten, erlangen wir emotionale Freiheit und die Fähigkeit zurück, andere Verhaltensweisen zu erproben und damit Schritt für Schritt zu einer veränderten Lebenswirklichkeit zu gelangen
Der Mensch strebt aus seinem Inneren nach Entwicklung. Dieser Ur-Impuls ist mehr oder weniger stark ausgeprägt, ist aber unter normalen Umständen die „Standard-Einstellung“ bei Personen ohne psychische Störungen mit Krankheitswert.
Sind wir psychisch gesund, entwickeln sich in der Regel Antrieb und Motivation in die Richtung einer ziemlich einheitlich beobachtbaren psychologischen Grund-Entwicklungsrichtung. Diese kann selbstverständlich Höhen und Tiefen aufweisen und Krisen und Rückschlägen ausgesetzt sein.
Ganz vereinfacht gesagt, bewegen wir uns entsprechend der eigenen sozialen und kulturellen Umgebung und Lebensbedingungen sowie den gemachten Erfahrungen aus den ersten drei Stadien der psychologischen Entwicklung weiter. Die ersten Stufen der psychologischen Entwicklung haben mit Überleben, Anpassung und Anerkennung zu tun. Diese gehen einher mit der Entwicklung des physiologischen Gehirnwachstums, welches bis in etwa zum 25. Lebensjahr abgeschlossen ist.
Ab Mitte der Zwanziger bis Ende der 30er Lebensjahre individualisiert der Mensch sein eigenes Selbst und erfährt, welche Bedürfnisse es wahrzunehmen und zu erfüllen gilt, um ein Leben in Balance führen zu können, welches im späteren Alter als sinnvoll und erfüllt bewertet werden kann.
In den 40ern sind wir mit der sogenannten Selbstaktualisierung beschäftigt, einer Phase, in der wir uns vermehrt nach dem Sinn des Lebens fragen und unseren Platz im Leben gefunden haben wollen. Die weiteren Lebensjahrzehnte können mit reicher Persönlichkeitsbildung einhergehen, vorausgesetzt, die davor liegenden Phasen sind erfolgreich und bedürfnisorientiert verlaufen.
Eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen in unseren westlichen Gesellschaften durchlebt das Leben entsprechend diesem Modell der psychologischen Entwicklung, ohne parallel dazu eine Veränderung des eigenen Bewusstseins für das eigene Leben und die Umwelt zu erlangen.
Auch traumatische Erlebnisse, die sich in den einzelnen Phasen der Entwicklung biografisch ergeben haben, führen dazu, dass die psychologische Entwicklung ins Stocken gerät oder aber sogar Rückschritte eintreten, die dadurch verursacht sein können, dass bereits die Bedürfnisbefriedigung in den vorherigen Lebensphasen beeinträchtigt, ausgeblieben oder stark vernachlässigt wurde.
Was dann passiert, ist das Gefühl, dass das Leben sich zwar entwickelt und auch das Umfeld dies tut aber wir immer wieder unter dem Eindruck stehen, an unsichtbaren „Gummibändern“ in unsere längst abgelegt geglaubten negativen Verhaltensweisen zurückzufallen oder diese Muster einfach nicht ablegen zu können. Wir bleiben als Individuum hinter unseren eigenen Wünschen nach Selbstausdruck zurück. Die angestrebte Entwicklung der eigenen Persönlichkeit findet nicht statt oder wir sabotieren uns selbst auf dem Weg dahin.
Diese Gummibänder sind erklärbar. Mit diesen gilt es sich aktiv auseinanderzusetzen, herauszufinden, warum wir immer wieder in unerwünschte Verhaltensweisen und instabile emotionale Muster abgleiten, um dadurch zu lernen, förderliche Verhaltensweisen zu kultivieren und aufzubauen.
Sich dieser Dynamik bewusst zu werden, ist eine spannende Aufgabe, die sich lohnt, angenommen zu werden.
Auf dem Weg der Erforschung, warum die Dinge nicht so laufen wie wir es uns wünschen, lernen wir, uns selbst besser kennenzulernen und zuzulassen, dass wir uns mit der Idee anfreunden sollten, Verantwortung und Bewusstsein für unser Leben zu übernehmen und zu entwickeln.
Es kann sehr lange dauern bis der Groschen fällt, dass wir als Menschen wirklich die einmalige Gabe besitzen, durch unsere kognitiven Fähigkeiten, Dinge in Bewegung zu setzen, die uns nah an das von uns gewünschte Ziel heranführen können.
Anders als im Sensations-Coaching, welches heutzutage besonders im Internet wilde Blüten treibt, ist bei Anwendung bestimmter wissenschaftlich gut erforschter Modelle der Entwicklungs-Psychologie ein systematischer Umgang mit den eigenen Bedürfnissen und Wünschen möglich.
Besteht erst einmal ein Bewusstsein für die eigenen „Gummibänder“, die uns in unserer Entwicklung hemmen und können wir uns unsere selbst gewünschte Zukunft als Vision ausmalen und uns dann noch vorstellen, bestimmte Handlungsschritte auszuführen, um an dieses Ziel zu gelangen, ist bereits eine vielversprechende Basis gelegt, um ein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können.
Besteht trotz allem weiterhin ein schwer selbst zu überwindender psychologischer Widerstand, all diese Faktoren zur Reife zu bringen und sich auf den Weg zu machen, gilt es die Gründe dafür anzuschauen und sich gegebenenfalls sogar in den Schmerz der alten Erfahrungsmuster zu begeben, der die Gummibänder energetisch in ihrer Position der Blockade hält.
In diesem Fall kann eine psychotherapeutische Intervention einen signifikanten Unterschied herbeiführen und uns in unsere eigene Gestaltungsmacht zurückführen.
Ist es nicht das, was sich viele von uns insgeheim wünschen, um ein selbstbestimmtes Leben nach unseren eigenen Wertvorstellungen führen zu können und zu dürfen?
Herzliche Grüße,
Michael Harms Foto von Jeffrey Grospe